Die Schweiz ist laut der SRG-Umfrage ein Land mit einer grundsätzlich sehr zufriedenen Bevölkerung. Aber in diesem Bild einer heilen Schweiz gibt es auch bedenkliche Risse.

Den meisten Menschen in der Schweiz (61 Prozent) geht es gut bis sehr gut. Das gaben die Befragten in der Umfrage an, die zusammen mit dem Forschungsinstitut GFS Bern durchgeführt wurde. Nicht zufällig fand die Umfrage jetzt im Wahljahr statt, um den Menschen den Puls zu fühlen. 

Und offenbar fühlen sie sich mehrheitlich gut - dies wird vor allem genährt vom Privatleben. Zwar ist der Beruf das, womit die Befragten am meisten Zeit in ihrem Alltag verbringen. Nur 37 Prozent benoten aber den Grad ihrer beruflichen Zufriedenheit mit 8 oder höher. 

Darauf angesprochen, was es bräuchte, damit sie noch glücklicher wären, sagen die meisten der Befragten: mehr Zeit in der Natur zu verbringen. Die weiteren Positionen auf der Wunschliste sind: mehr Geld zu haben, mehr Schlaf und mehr gemeinsame Zeit mit der Familie. 

Doch es gibt auch die Schweiz, für die die Dinge alles andere als rosig sind und die sich klar von der Mehrheit abgrenzt. Knapp ein Drittel sagt, ihre finanzielle Situation sei «eher oder sehr stark» belastend. Besonders deutlich zeigt sich das in der italienischen und der rätoromanischen Schweiz.  Ein Fünftel aller Befragten sagt, sie fühlten sich immer oder oft einsam. Und ein Drittel findet, die anderen Bewohner und Bewohnerinnen des Landes teilten ihre Werte nicht. Besonders häufig ist das der Fall bei Menschen mit den niedrigsten Einkommen und bei den Jüngeren.

Die Themen, die bisher in diesem Wahljahr vor allem zu reden gaben, finden gemäss der Umfrage bei der Bevölkerung wenig Beachtung. 61 Prozent halten «Woke» und «Gender» für Pseudoprobleme. Zuwanderung, Neutralität und Gleichberechtigung der Geschlechter sind auf der Liste der Themen, die die Leute beschäftigen, nur im Mittelfeld. Anders ist das beim Thema Klimawandel. 69 Prozent sehen ihn als ein grosses Problem, bei dem ein unmittelbarer Handlungsbedarf besteht. 

Die direkte Demokratie ist ein Faktor, der mehr als alles andere die Bevölkerung eint: 98 Prozent sind voll oder eher damit einverstanden, dass sie für die Schweizer Identität eine zentrale Bedeutung hat.
Wenn es hingegen um die «indirekte Demokratie» geht, also um die Akteure, die sich stellvertretend fürs Volk um die Politik kümmern, fällt das Urteil der Befragten weit weniger positiv aus. Nur vier Prozent sind vollständig der Ansicht, man könne den Schweizer Politikerinnen und Politikern vertrauen, dass sie im Interesse ihrer Wählerinnen und Wähler handelten. Wenn man jene dazu zählt, die das «eher» finden, sind es zwar immerhin 48 Prozent, was aber noch immer keine Mehrheit ist.

Heile Welt mit Rissen

Der Blick von aussen auf die Schweiz lässt ein glückliches Volk vermuten, wie die SRG-Umfrage zeigt. Aber ist das echtes Glück oder bloss Einbildung? Und was braucht es alles für ein erfülltes Leben? Zwei Glücksforscher geben Antworten. 

In der Schweiz – reich, sicher und idyllisch – müssten die Menschen besonders glücklich sein. Tatsächlich sind auch knapp zwei Drittel der Schweizerinnen und Schweizer zufrieden mit ihrem Leben. Die meisten von der SRG und dem Forschungsinstitut gfs.Bern Befragten fühlen sich sehr häufig glücklich, ruhig, erfüllt und geliebt. 

Auch weltweit steht die Schweiz gut da: Sie landet beim diesjährigen «World Happiness Report», herausgegeben von der UNO, auf Platz acht. Damit verliert sie im Vergleich zum Vorjahr zwar vier Ränge, führt aber mit anderen nordischen Ländern weiterhin den Weltzufriedenheitsindex an. Der Ländervergleich, aber auch andere Umfragen, welche die Zufriedenheit von Menschen abfragen, sind ein probates Mittel, womit Forschende das abstrakte Gefühl Glück messen. 

Doch dieses Vorgehen gestaltet sich schwierig: Die Selbstwahrnehmung kann ganz anders sein. «In der Schweiz hat man das Gefühl, glücklich sein zu müssen», sagt der Ökonom und Glücksforscher Mathias Binswanger. «Die Menschen geben positive Antworten, wenn man sie nach ihrem Glück befragt.» In Frankreich oder Italien zum Beispiel gebe es hingegen eine andere Kultur, dort beklage man sich gerne. Diese Länder würden deshalb auch häufig schlechter bei Vergleichen des durchschnittlichen Glücksempfindens abschneiden. 

Der sogenannte «Social-Desirability Bias» scheint in der Schweiz also besonders ausgeprägt zu sein, ganz nach der Devise: «Wir haben doch alles, da müssen wir doch glücklich sein». 

Wir lernen, wie man in der Wirtschaft gut funktioniert, aber wir lernen nur wenig darüber, wie man ein gutes Leben führt.

Unter dieser allgemeinen Annahme würden wir aber ständig darauf schauen, was nicht perfekt sei und uns fragen – durch den Vergleich mit anderen – wie wir noch besser werden können. Die Folge:   Wir sehen zu wenig, wo wichtige Glücksfaktoren verloren gehen, zum Beispiel beim Sozialleben, so Binswanger.

Dabei ist gerade das Moment der Verbundenheit ein zentraler Baustein für ein erfülltes Leben, sagt auch der Berner Psychologe und Glücksforscher Bernhard Sollberger. «Das Paradebeispiel sind die sozialen Beziehungen. Gute, vertrauensvolle, ausgewogene, auch intime soziale Beziehungen sind besonders wichtig.» 

Gleichzeitig liesse sich Verbundenheit auch auf den Beruf ausweiten. «Jemand, der seiner Berufung nachgeht, wird mehr Verbundenheit mit seinem Tun empfinden als jemand, der einfach seinen Job wegen der guten Bezahlung macht.» 

Rund die Hälfte der Glücksunterschiede zwischen Menschen gehen auf die Gene zurück.

Die SRG-Studie hingegen zeigt, dass das allgemeine Glücksniveau in der Schweiz stärker vom Privaten abhängt: Während 66 Prozent der Befragten mit ihrem Privatleben zufrieden sind, sind es beim Berufsleben nur 37 Prozent. «Viele Schweizer und Schweizerinnen wie auch die Menschen in anderen Ländern verbringen einen Grosssteil ihres Lebens mit einem Beruf, der Geld bringt, aber nur wenig Freude bereitet», sagt Binswanger. 

Einige Schweizerinnen und Schweizer haben im Privatleben aber auch mit Einsamkeit zu kämpfen. Gemäss der Studie sprechen wir im Durchschnitt fünf Stunden am Tag mit niemandem. Knapp ein Fünftel der Befragten fühlt sich im Alltag einsam. Insbesondere das Gefühl der Einsamkeit, mache Menschen unglücklich, meinen die Glücksforscher. 

«In Ländern wie der Schweiz vereinsamen vor allem ältere Menschen. Es gibt keine entwickelte Kultur des Zusammenlebens», sagt Binswanger. «Wir lernen hier, wie man in der Wirtschaft gut funktioniert, aber wir lernen nur wenig darüber, wie man ein gutes Leben führt.»

Auch junge Menschen leiden unter Einsamkeit. Eine kürzlich erschienene Studie des Gottlieb Duttweiler Instituts hat gezeigt, dass junge Menschen in der Schweiz zwar oft mehr Freundschaften haben als ältere Menschen, sich aber trotzdem einsam fühlen. Ein Grund sei sicherlich Social Media, meint Psychologe Sollberger. «Ich habe 5'000 Freunde auf Facebook, aber nahe stehen tun mir vielleicht nur zwei.»

Ein Fakt zum glücklichen Leben ist dagegen unumstritten: «Rund die Hälfte der Glücksunterschiede zwischen Menschen gehen auf die Gene zurück», sagt Sollberger. Krankheiten und psychische Störungen hätten oft eine vererbte Komponente und beeinflussen ein glückliches Leben enorm. 

Wie sehr hat man also das eigene Glück in der Hand? Sollberger erwähnt den Bereich der Epigenetik, das heisst, Gene können in Abhängigkeit unseres Verhaltens ausgedrückt werden oder nicht. «Dies ist zum Beispiel mittels Essgewohnheiten, Sport oder Meditation möglich – das ist doch mal eine gute Nachricht.»

Die Frage sei aber auch, ob wir in der Lage sind, Änderungspotenzial wahrzunehmen, meint Glücksforscher Binswanger: «Es ist immer bequemer, das eigene Unglück auf die Umstände oder auf andere abzuwälzen, als zu sagen, ich muss jetzt selbst mal was tun.»

Vor allem in Krisenzeiten muss die eigene Komfortzone durchbrochen werden. Sollberger hat das Verhalten der Schweizerinnen und Schweizer während der  Corona-Pandemie  analysiert. Er hat beobachtet, dass Menschen zufriedener waren, wenn sie weniger mit negativen Emotionen beschäftigt waren und eher pragmatisch vorgegangen sind. 

Es gibt wahrscheinlich kaum ein Land, wo man über so lange Zeit in Stabilität und Wohlstand gelebt hat.

Posttraumatisches Wachstum bezeichnet das Phänomen, dass nach einem einschneidenden negativen Erlebnis wie der Pandemie nicht nur psychische und soziale Beeinträchtigungen, sondern auch persönliche Entwicklungen folgen können. Die Pandemie hätte sicherlich einigen die Augen geöffnet, was ein attraktives Leben ausmacht und was nicht, meint auch Binswanger.

Globale Krisen sind in der Schweiz jedoch eher die Ausnahme. «Die Stabilität ist natürlich ein wichtiger Beitrag zum Glück», sagt Binswanger. Viele Schweizer und Schweizerinnen haben genug Geld zum Leben, müssen sich um keinen Kriegseintritt sorgen und können sich zum Ausgleich in eine intakte Natur verdrücken. «Es gibt wahrscheinlich kaum ein Land, wo man über so lange Zeit in Stabilität und Wohlstand gelebt hat», sagt Binswanger. «Das machen wir uns selten bewusst.»

Bleibt noch die Frage, ob Geld wirklich glücklicher? Geld sichert das tägliche Überleben, meint Binswanger. «Mit wenig Wohlstand muss ich mir mehr Sorgen machen.» Aber eine interessante Beobachtung in hoch entwickelten Ländern wie der Schweiz, Westeuropa, USA, Japan und Australien sei, dass dort das durchschnittliche Glücksempfinden der Menschen mit einem noch höheren Bruttoinlandprodukt pro Kopf nicht weiter ansteige. 

«Ein materialistisches Denken ist zum Glücklichsein nicht förderlich», bestätigt auch Sollberger. In Erich Fromms bekannten Werk «Haben oder Sein» zeigte der Sozialpsychologe bereits 1976 auf, wie der Mensch «als Diener des Wirtschaftssystems» immer mehr haben will, sich dabei von sich selbst entfremdet und darüber krank und unglücklich wird. Dem gegenüber stellt Fromm die Existenz des Menschen. Menschen, die sich über ihr Wesen anstatt über Besitz definieren, seien friedlicher und glücklicher.  

Bei der Frage nach dem Glück kommt man wohl kaum an grossen Menschheitsfragen vorbei. Und auch nicht an einem gewissen schizophrenen Denken, das Binswanger der Schweizer Bevölkerung unterstellt: «Einerseits denken die Schweizer, sie haben es besser gemacht als andere. Andererseits gibt es eine panische Angst, den Anschluss an die Welt zu verpassen.» 

Vielleicht ist ja genau diese Ambivalenz ein Antriebsmotor zum Glücklichsein in der Schweiz.

Was macht die Schweiz glücklich?


Alain Berset: "Am Ende ist Glück das Wichtigste"

Susanne Stöckl

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Wie denkt der Bundespräsident über sein offenbar mehrheitlich so zufriedenes Volk? "Ehrlich gesagt, können wir uns in der Schweiz tatsächlich nicht allzu sehr beklagen", meint Alain Berset gegenüber RTS. Das Westschweizer Fernsehen hat mit ihm aber auch über die Menschen gesprochen, denen es nicht so gut geht.

Das Bild, das die grosse SRG-Umfrage von diesem Frühjahr zeigt, überrascht den Bundespräsidenten nicht wirklich. "Insgesamt können wir uns nicht beklagen, vor allem wenn man sich ansieht, was anderswo in der Welt passiert", sagte Alain Berset gegenüber RTS. Aber es ist nicht alles rosig", schränkt er ein. "Es gibt hier eine grosse Diversität in der Bevölkerung, es gibt immer Probleme, die gelöst werden müssen, es gibt Menschen, die Schwierigkeiten haben, und gerade ihnen gegenüber müssen wir sehr aufmerksam sein."

Und sind Sie glücklich, Herr Bundespräsident? "Ja, und ich freue mich noch mehr auf die Freiheit, die mich erwartet", gesteht der SP-Minister, der sein Amt Ende Jahr aufgeben wird. Alain Berset, der als beliebtestes und einflussreichstes Mitglied des Bundesrates gilt und als äusserst ehrgeiziger Politiker, versichert: "Macht kann einen stolz machen, aber sie macht nicht glücklich". Für ihn liegt das Glück woanders: "Es ist viel persönlicher. Aber am Ende ist es immer noch das Wichtigste".

Die Pandemie liegt hinter uns, zumindest fast

In einer Zeit, in der die meisten Menschen sagen, dass sie zu Hause glücklicher sind als am Arbeitsplatz, besteht Alain Berset auf einem Gleichgewicht zwischen Privat- und Berufsleben. "Man kann auch in beruflichen Tätigkeiten Erfüllung finden. Es gibt auch soziale Bindungen und Emotionen", sagt er. Der Mythos des fleissigen Schweizers ist damit noch lange nicht widerlegt. Die offensichtliche Arbeitsverdrossenheit eines Grossteils der Befragten könnte auch mit der Inflation zu tun haben, vermutet der Freiburger. "Die Kosten steigen überall, und das kann in der Bevölkerung zu einem gewissen Stress führen."

Alain Berset ist auch froh, dass die Pandemie die Menschen kaum mehr beschäftigt, so wie auch die Umfrage zeigt. "Eigentlich stört mich das auch nicht mehr so sehr", lacht er. "Die Pandemie war eine schreckliche Tortur (...) Wir erlebten eine Situation, in der die Ungewissheit und Unsicherheit, die mit der Pandemie einhergingen, zu grossen Spannungen, Irritationen und Frustrationen führten, die sich manchmal auf brutale Weise zeigten", erinnert sich der Gesundheitsminister. Für ihn ist es heute das Wichtigste, allen Menschen die Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen und die sozialen Bindungen zu stärken. "Das ist etwas, das noch nicht vorbei ist und uns immer noch beschäftigt", räumt er ein.

Angesichts der künftigen Herausforderungen besteht das Risiko eines Rückzugs

Obwohl die Schweizerinnen und Schweizer ein grosses Vertrauen in den Schweizer Staat, die Institutionen und das Wirtschaftsmodell haben, macht sich ein Grossteil von ihnen Sorgen um die zukünftigen Generationen, so die Umfrage. Die Schweiz und die Welt stehen in der Tat vor enormen Herausforderungen", sagt Alain Berset, aber für ihn besteht das grösste Risiko darin, dass das Land der Angst nachgibt und sich selbst aufgibt. "Wenn wir diesen Weg einschlagen, werden wir verkümmern. Das wäre eine Katastrophe", warnt der Bundesrat.

"Gerade in den schwierigsten Zeiten brauchen wir Mut und Lust auf die Zukunft. Hier müssen wir uns engagieren, und zwar nicht nur für die nächsten Wochen, sondern für die nächsten Jahre, die nächsten Jahrzehnte", betont er. Und Berset erinnert daran, dass sich in diesem Jahr die Bundesverfassung zum 175. Mal jährt, "ein innovativer, zukunftsweisender und äusserst kraftvoller Text", der allerdings "in einer Zeit grosser Spannungen", am Ende eines Bürgerkriegs, entstanden sei. "Wir bräuchten heute den gleichen Mut", schliesst Alain Berset.

"Wir können uns nicht wirklich beklagen"

Schweizerinnen und Schweizer zwischen Glück und Sorgen

Die meisten Menschen sind mit ihrem Leben zufrieden. Aber es gibt auch Ängste, wie die grosse SRG-Umfrage ergab.

Julien Furrer

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Nachdem die landesweite Umfrage ergab, dass sich über 60 Prozent der Menschen gut oder sehr gut fühlen, wollte es der Fernsehsender RSI genauer wissen und hat sich aufgemacht in verschiedene Regionen der Schweiz.

Und dort hört man verschiedene Gründe, weshalb die Menschen glücklich sind: von der Familie bis zum Klima, von der Arbeit bis zum Wetter.  

Marco Morell

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Sondermeldung vom 23. August 2023: Die Sorgen der Schweizer Bevölkerung

Die Umfrage zeigt jedoch auch die nicht so schönen Seiten auf. So fühlen sich nicht wenige Befragte einsam oder ihnen bereitet ihre finanzielle Situation Sorgen.



Konkret machen sie sich Gedanken über die steigenden Lebenshaltungskosten. Ältere Menschen sind besorgt über die Zukunft ihrer Kinder und machen sich generell Sorgen über Naturkatastrophen und den Klimawandel.



Zudem zeigen sowohl die Umfrage der SRG wie auch die Interviews von RSI, dass es ein gewisses Misstrauen gegenüber der Politik gibt.



Die Schweizer zwischen Glück und Sorgen

Ist die Schweiz glücklich?

Grosse Umfrage: Wie geht es der Fünften Schweiz?

Gehen Sie gerne joggen? Wenn Sie sich mindestens einmal pro Woche sportlich betätigen, gehören Sie zur Mehrheit der Schweizer Bevölkerung. Dies geht aus der grossen Meinungsumfrage von gfs.bern hervor. Ebenso, warum es sich durchaus lohnt, Auslandschweizer:in zu sein.

Die Umfrage mit dem Titel "Wie geht's Schweiz?" wurde von gfs.bern im Auftrag der SRG durchgeführt und ist eine der grössten Meinungsumfragen, die in der Schweiz je realisiert wurden.

57'778 Schweizer:innen im In- und Ausland haben sich im April und Mai 2023 durch über 300 Fragen zu Themen wie persönlicher Befindlichkeit, Politik oder Lebenskosten geklickt.

Wie oft wechseln Sie ihr Bettzeug? Vertrauen Sie den Politiker:innen in der Schweiz? Und wurden sie schon einmal aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert? Dies sind drei Beispiele aus dem breiten Fragenkatalog.

Auslandschweizer:innen sind weniger ängstlich

Zwei Drittel der Ausland- und Inlandschweizer:innen halten sich selbst für schweizerisch. Nicht überraschend vertreten Auslandschweizer:innen stärker die Meinung, dass ein Wohnsitz in der Schweiz nicht zwingend ist, um sich mit dem Land zu identifizieren.

Dennoch hält die Hälfte unter ihnen die Schweiz für das beste Land zum Wohnen. Und obwohl ein Drittel den Besitz einer Schweizer Staatsbürgerschaft als nicht essentiell erachtet, ist der Schweizer Pass für einen Grossteil der Auslandschweizer:innen ein wichtiger Bestandteil der Identität.

Als wichtigen Bestandteil ihres Alltags erachten Auslandschweizer:innen ihre Freizeitaktivitäten und Freund:innen. Mit je etwa 4,5 Stunden pro Tag sind sie in diesen beiden Bereichen Spitzenreiter:innen, vor den Pensionierten und Geschiedenen.

Als Schweizer:in im Ausland zu leben, kann sich sogar positiv auf die Gesundheit auswirken, wie die Umfrage weiter zeigt: Die Fünfte Schweiz fühlt sich laut der Umfrage weniger ängstlich. Auslandschweizer:innen sind ausgeruhter, ruhiger und weniger deprimiert.

Dieses Bild der entspannteren Auslandschweizer:innen wird zudem gefestigt, indem sie im Vergleich zu Inlandschweizer:innen seltener angeben, im Alltag durch beispielsweise Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, ihren Arbeitsplatz, ihr Aussehen oder einen Drang zur Selbstoptimierung beschäftigt zu sein.

Ob dies damit zusammenhängt, dass Auslandschweizer:innen mehr Wert auf das wöchentliche Wechseln der Bettwäsche legen, sei mal dahingestellt. Den halbjährlichen Fensterputz lassen sie, wie ihre inländischen Mitbürger:innen, dagegen gerne einmal schleifen – wenn auch seltener.

Dafür kneifen Auslandschweizer:innen öfter beim wöchentlichen Sport, obwohl immerhin 64% sich mindestens einmal pro Woche ihrer körperlichen Fitness widmen.

Einen Gesamtüberblick über die Resultate der Umfrage finden Sie hier:

Mit Blick auf die eidgenössischen Wahlen lässt sich festhalten, dass sich die meisten Auslandschweizer:innen zutrauen, ihre politischen Rechte auszuüben (79%). Dieser Wert liegt allerdings unter jenem der Inlandschweizer:innen, die sich die politische Partizipation zu 91% zutrauen.

Schweizer:innen mit ausländischem Wohnsitz bezweifeln seltener, dass Schweizer Politiker:innen für ihr Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen werdenund haben grösseres Vertrauen in Wirtschaftsvertreter:innen.

Ihren Mitmenschen dagegen scheinen sie weniger positiv gesinnt: Das Vertrauen liegt hier deutlich tiefer als unter Inlandschweizer:innen.  

In Bezug auf den Klimawandel gibt eine klare Mehrheit aller Befragten an, dieser sei menschengemacht und es bestehe unmittelbarer Handlungsbedarf.

Auslandschweizer:innen nehmen dabei die Schweiz stärker in die Verantwortung, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen, sind aber auch zuversichtlicher, dass dies der Schweiz auf politischer Ebene gelingen wird.

Unterschiede zeigen sich auch in der Bereitschaft, sich selbst für das Klima einzusetzen. Inlandschweizer:innen tun sich im Vergleich schwerer, auf ihr Einfamilienhaus zu verzichten (37% wollen überhaupt nicht verzichten).

Im Ausland ist die Bereitschaft hingegen grösser, nicht übermässig zu heizen, auf Öl- und Gasheizungen oder teilweise auf Autos mit Verbrennungsmotoren zu verzichten.

Mit "dialog" erleben Sie News und Debatte neu. Diskutieren Sie über relevante Themen – egal in welcher Landessprache. Wir übernehmen die Übersetzungsarbeit. Ein überregionales Redaktionsteam wählt dafür Woche für Woche ein neues Thema aus, über das Sie debattieren können. Zudem erfahren Sie dazu Wissenswertes aus allen Landesteilen. Ein Tool, das auf Grundlage der Umfrage "Wie geht’s, Schweiz?" erstellt wurde, zeigt Ihnen, wo Sie im Vergleich zu Ihren Mitbürger:innen beim jeweiligen Thema stehen.

Warum es der Fünften Schweiz besser geht

Eine "lebendige Demokratie" braucht unzufriedene Bürger, sagt der Politikwissenschaftler Marc Bühlmann

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Wie beeinflusst das Glück das politische Leben in der Schweiz? Das wollten die Kolleginnen und Kollegen des Westschweizer Fernsehens RTS vom Politologen Marc Bühlmann wissen. 

Laut der SRG-Umfrage sagen nur 5 % der Schweizerinnen und Schweizer, dass sie unzufrieden sind. Für Marc Bühlmann ist dies keine Überraschung, denn die Schweiz sei im Vergleich zu anderen Nationen "immer noch eines der glücklichsten Länder der Welt".

In der von gfs.bern im Auftrag der SRG durchgeführten Meinungsumfrage wird das Arbeitsleben jedoch eher negativ beurteilt. Bühlmann weist darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit, das Gewünschte "erreichen" zu können, in der Arbeitswelt komplexer ist als im privaten oder politischen Bereich.

Die Menschen machen sich nicht jeden Tag Gedanken über den Klimawandel oder den Krieg, wie das die politischen Parteien und die Medien tun. Deren Aufgabe ist es, "auf Dinge hinzuweisen, die nicht so gut laufen", um "über diese Themen nachzudenken", wie Marc Bühlmann betont. 

Unzufriedenheit als politische Triebkraft

Um Veränderungen herbeizuführen, braucht eine "lebendige Demokratie" unzufriedene Bürgerinnen und Bürger, die die Fähigkeit oder den Willen haben, etwas zu verändern. Der Politologe weist darauf hin, dass es schwierig ist, in der Schweiz Veränderungen herbeizuführen.

Diejenigen, die Veränderung wollen müssen anderen "glücklichen, konservativen" Menschen - die das, was sie haben, behalten wollen - beweisen, dass es ein Problem gibt.

Kann diese Trägheit mit den aktuellen Problemen der Schweiz, darunter der Klimakrise, kollidieren? Marc Bühlmann sagt, dass das Narrativ des Handlungsbedarfs seit den sechziger und siebziger Jahren eine "tragende Säule der Politik" ist und sofortige Veränderungen eher das Ergebnis von Diktaturen sind.

Je nach ihrer Position im politischen Spektrum sind die Menschen nicht unbedingt damit einverstanden, wenn eine Partei eine Notlösung für ein bestimmtes Problem fordert, sagt der Experte.

Das politische System der Schweiz bleibt also stabil, auch dank des allgemeinen Glücksniveaus. Diskurse und Debatten werden friedlich geführt, vor allem mit dem Instrument der direkten Demokratie, und Veränderungen kommen nur langsam voran. Der Zufriedenheitsgrad spiegelt sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung von rund 50 % bei den Parlamentswahlen wider.

Der Politologe der Universität Bern ist vorsichtig, was den Wahrheitsgehalt der SRG-Umfrage betrifft. Menschen, die der Wissenschaft und den Medien eher misstrauisch gegenüberstehen, die "halbwegs zufrieden" sind, nehmen an diesen Umfragen nicht teil. Trotz der grossen Anzahl von Teilnehmenden ist es daher schwierig, wirklich repräsentativ für die in der Schweiz lebende Bevölkerung zu sein.

Glück macht träge

Finden Sie heraus, wo Sie stehen

Es gibt viele Erklärungen dafür, was zum Glück verhilft. Eine davon lautet: eine Durchschnittstemperatur von 22 Grad.

Wie lässt sich das Glück eines Landes und seiner Bevölkerung berechnen? Der World Happiness Report der Uno benutzt dafür diese Kriterien: soziale Unterstützung, Einkommen, Gesundheit, Freiheit, Grosszügigkeit und Abwesenheit von Korruption. 

Die Haupterkenntnis des Berichts: Trotz der Pandemie und des Krieges in der Ukraine gehen die Menschen heute freundlicher miteinander um und hören einander besser zu als vor Covid.

In der neusten Ausgabe des Berichts, die im März 2023 veröffentlicht wurde, führt Finnland zum sechsten Mal in Folge die Rangliste der glücklichsten Länder an, gefolgt von Dänemark und Island. An achter Stelle liegt die Schweiz, vier Plätze weiter hinten als vor einem Jahr. Durchbrochen wird die "nordische" Dominanz von Israel, das auf dem vierten Platz steht, und den Niederlanden, das Schweden und Norwegen hinter sich lässt.

Die nordeuropäischen Länder glänzen also in dieser Rangliste und erscheinen als Gesellschaften, die solid sind, reich und grosszügig, gesund und demokratisch. Auf den letzten Plätzen der Liste sind Libanon und Afghanistan. Letzteres befindet sich in einer beispiellosen Wirtschaftskrise, es ist vom Krieg gezeichnet und wird vom Taliban-Regime beherrscht.

Für viele ist Glück etwas, was viele Variablen umfasst und nicht in ein bestimmtes Muster gepresst werden kann. Das zeigt auch das Beispiel Island, das auf dem dritten Platz liegt. Gemäss der Organisation für Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist der Verbrauch von Antidepressiva nirgends in Europa so hoch wie in Island. Er hat sich in den letzten 20 Jahren in allen europäischen Ländern im Durchschnitt verdoppelt. Im Land der Vulkane und Geysire werden pro Tag 153 Tabletten pro tausend Menschen verbraucht.

Was heisst das in Bezug aufs Glück? Die OECD-Analysten weisen selbst darauf hin, dass dieser Anstieg damit zusammen hängen könnte, dass der Zugang zu medizinischer Versorgung einfacher geworden ist.

Wie schwierig es ist, das Glück zu berechnen, zeigt sich auch bei einem anderen Thema, dem Wetter. In den nördlichen Ländern ist das Wetter garstig, und die Winder sind lang und dunkel. Das liesse vermuten, dass es in diesen Ländern schwieriger ist, glücklich zu sein. Aber das Gegenteil ist der Fall. Der italienische Forscher Ruben Durante erklärte das so: Garstiges Wetter bringt die Menschen dazu zusammenzuarbeiten, damit es mehr Wohlfahrt für alle gibt, wie das in Schweden, Finnland und Island der Fall ist.

Eine andere Studie, die sich ausschliesslich aufs Klima bezieht, besagt, dass die ideale Temperatur zum Glücklichsein bei 22 Grad liegt. Und warum? Australische und chinesische Experten haben dazu Daten von mehr als 1,5 Millionen Menschen in den USA und in China erhoben. Demnach sind Menschen, die in gemässigten Klimazonen leben, geselliger und emotional stabiler. Ein angenehmes Klima ermöglicht es den Menschen, häufiger auszugehen, was zu mehr sozialen Kontakten führt.

Die Frage aller Fragen lautet: Macht Geld glücklich? Hier gibt es zwei unterschiedliche Denkströmungen. Die einen sagen, man müsse im Leben zufrieden sein, um glücklich zu sein, die anderen sind überzeugt, dass das Glück mit der Wirtschaftskraft zusammenhängt. Die beiden Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman und Angus Deaton von der Universität Princenton fanden 2010 mit einer Studie heraus, dass in den USA das Glück mit steigendem Jahreseinkommen zunimmt, sich aber oberhalb von 75.000 Dollar stabilisiert. Ein Befund, der später von einem Wissenschafter der Universität von Pennsylvannia bestritten wurde. Die beiden Universitäten beschlossen daraufhin, gemeinsam die "Wahrheit" herauszufinden. Das kam dabei heraus: Je reicher man ist, desto glücklicher ist man, sofern man emotional stabil ist. Wer hingegen in einem Zustand der Unzufriedenheit lebt, den oder die macht auch ein höheres Einkommen nicht glücklicher.

Auch wenn man all diese Studien kennt, bleibt es schwierig, das Glück zu definieren. Es ist wie beim indischen Gleichnis von den sechs blinden Weisen, die zum ersten Mal einem Elefanten begegnen. Ihre Aufgabe ist es, das Tier zu beschreiben und zu definieren, sie dürfen aber nur einen Körperteil des Tieres berühren. Der erste berührt den Rüssel und sagt, der Elefant sei wie eine Schlange. Der zweite streichelt das Ohr und sagt, es sei wie ein Fächer. Der dritte ergreift den Schwanz und hält ihn für ein Seil, der vierte fasst den Stosszahn an und ist sich sicher, dass es sich um einen Speer handelt, und der letzte berührt den Körper, den er als eine Wand beschreibt. Kurz gesagt: Niemand kann den Elefanten als das definieren, was er ist, aber alle sind sich sicher, dass sie ihn richtig beschrieben haben. So ist es auch beim Glück. Es gibt keine Studie, die uns ein umfassendes Bild davon geben kann, sondern nur Teilansichten und Interpretationen davon.

E-Commerce, Reichtum ist nicht gleichbedeutend mit Glück